Projekt
Memoria Exil
Als die Nationalsozialisten mit der systematischen Ermordung »Nichtarier« in Deutschland begann, blieb für viele Juden, und auch für Sinti und Roma, politi-sche Gegner, Homosexuelle, Kulturschaffende und viele andere Gruppen die das Ziel nationalistischer Verfolgung wurden, nur die Flucht.
Wenn es um die Behandlung der Frauen ging, waren die Nazis dabei nicht rück-sichtsvoller: In der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten bedeutete Mut-terschaft: Tod. Sofort. Jede Mutter, die mit einem Kind in Auschwitz angekom-men ist, ist sofort selektiert worden und mit ihrem Kind in den Tod geschickt worden. (Kirsten Heinsohn)
Auch heute gibt es noch viele Regime, die Menschen verfolgen und ins Exil treiben. In vielen Regimen sind zudem die Rechte von Frauen und queere Akti-vist*innen stark eingeschränkt.
Als die Taliban 2021 in Afghanistan nach ihrem wochenlangen Marsch durch das Land die Hauptstadt Kabul einnahmen, versuchten afghanische Menschen-rechtaktivist*innen umgehend aus dem Land zu fliehen. Darunter waren viele Frauenrechtlerinnen. Die Pläne für die Freiheit der Frauen lösten sich in Luft auf. Sie müssten sich verstecken oder versuchen, ins Ausland zu fliehen.
Am 6. September 2022 wurden Zahra Sedighi-Hamedani und Elham Choubdar in Iran wegen „Verbreitung von Korruption auf der Erde“ zum Tode verurteilt. Die beiden Frauen hatten sich in den sozialen Netzwerken für queere Rechte in Iran eingesetzt. Am 16. September starb Mahsa Amini in Polizeigewahrsam, weil sie angeblich gegen die Hijab-Regeln des Landes verstoßen hatte. Aminas Tod löste eine Welle von Protesten aus und bringt die iranische Regierung in Erklä-rungsnot; die Frage bleibt, ob sich etwas ändern wird.
Wir müssen aber gar nicht so weit schauen, denn auch auf dem europäischen Kontinent werden die Rechte von Frauen- und LGBTQ-Rechtler*innen stark verletzt, was viele auch dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Sie suchen Zu-flucht und werden zu Geflüchtete in einem anderen Land. Oft ist es nicht klar, wie lange man bleiben kann und häufig sieht man die Heimat nie wieder. Wir nennen sie zwar Geflüchtete, Asylbewerber*innen; wir können sie aber auch als Neuangekommene oder als Einwanderer betrachten. Jede:r von ihnen hat eine prägende Lebensgeschichte, die uns berühren und bereichern wird.
Wir werden die oft noch verborgene vielfältige Geschichte von den verfolgten Menschen im Flucht und Exil im Word und Bild auf-zeichnen, damit ihre »kleine und große Geschichte« zugehört wird und nicht in Vergessenheit geraten wird. Die Menschen, die fliehen mussten, schafften es nicht immer im Exil anzukommen. Einige wurden erwischt und landeten im Gefängnis oder in einem Straflager.Es können Personen ausgewählt werden, die von der (NS-)Verfolgung in irgendeiner Form betroffen oder bedroht waren, z.B. Diffamierung, Einschränkung der Berufsausübung, Enteignung, Vertreibung, Deportation Haft, Ermordung.
Aber auch Aktivist*innen in der Gegenwart wie beispielsweise die Frauenrecht-ler*innen in Afghanistan.
Die Ausdrucksform ist eine Art Geschichtserzählung in einem Comic, einer Graphic Novel, einem Kinderbuch, einer Animation oder einem offenen Bilder-buch. Dafür werden die folgenden, von uns empfohlenen Frauen als Denkan-stoß genannt, aber eine Geschichte einer Person im Exil, die ihr selbst auswählt, ist in jedem Fall möglich und wünschenswert.
Hannah Arendt, Else Lasker-Schüler, Lotte Laserstein, Lea Grundig, Ilse Aichinger, Charlotte Salomon, Clara Arnheim, Ceija Stojka, Dina Gottliebova Babbitt, Else Meidner, Freshta Ahmadi, Ghezaal Enayat, Nahid Shahalimi, Zarifa Ghafari, Shamsia Hassani
Zeichnung und Schrift:
Bei diesem Projekt geht es auch um die Wechselwirkung zwischen Zeichnung und Typografie. Wir werden uns zum Beispiel mit den folgenden Fragen beschäftigen:
– Wann passt eine gezeichnete oder geschriebene Schrift zur Zeichnung, und wann besser nicht?
– Was sollte beim Zeichnen oder Schreiben der Schriftart beachtet werden?
– Wenn eine „Druckschrift“ verwendet wird, sollte sie mit der Zeichnung har-monieren oder in Kontrast dazu stehen?
Wir werden uns Bücher mit vielen Zeichnungen und Texten ansehen und unvor-eingenommen darüber sprechen, was uns gefällt und was nicht und warum. Gute Zeichner*innen haben nicht unbedingt eine gute Handschrift. Wenn es sich nur um einen Teil der Zeichnung handelt (gezeichnet und geschrieben mit denselben Werkzeugen wie die Zeichnung), kann dies gut funktionieren, wenn es sich um einen längeren Text handelt, können vorhandene Fonts besser geeignet sein. Nur: welche?
Aufgabe zur ersten Besprechung (7. November):
Wählt bitte eine Person oder mehrere Personen aus, die für euer Projekt in Frage kommen könnte(n). Es können obenerwähnte Personen, andere »bekann-te« Namen sein, aber auch Personen, die bisher nicht im Rampenlicht standen. Es muss Material über diese Person vorhanden sein (Geschichten, Interviews), damit eine gute Grundlage für eine Geschichtserzählung über diese Person besteht.
Am ersten Tag des Projekts stellt jede/r eine, bzw. mehrere ausgewählte(n) Person(en) kurz vor.