Sommersemester 2007,
lokal, dezentral
» Die Ausstellung in der Galerie Alte Schule Adlershof geht aus der Zusammenarbeit
von Studierenden der Weißensee Kunsthochschule Berlin, der Freien Universität
Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin hervor. Sie stellt eine übertragene
Verlagerung vom Nordosten in den Südosten Berlins dar.
» Neben dem Stadtteil Adlershof auf der einen Seite, gibt es den Technologie- und
Medienstandort Adlershof – als typischerweise dezentral gelegenes, komprimiertes
Innovationszentrum, auf der anderen Seite. Dieses bildet eine Welt in sich und könnte
auch an einem anderen Ort sein. Durch seine Tätigkeitsfelder ist es universal. Die
Stadt, im Besonderen das Kulturzentrum Adlershof im Anwohnergebiet um die Dörpfeldstraße,
ist das Hier dieser Ausstellung: Es ist ein temporäres Lokal. Doch findet
sich dieses Motiv in den künstlerischen Arbeiten inhaltlich weniger im territo-rialen
Sinn, als vielmehr idiomatisch wieder. Wie könnte eine Verbindung von dem Gegensatz
lokal/universal aussehen?
» Die Offenheit des Titels sollte größtmögliche künstlerische Freiheit im Dialog mit
dem Ort oder Galerieraum erlauben. Der Dialog soll in dieser Form der Begegnung mit
den Besuchern der Ausstellung weitergeführt werden.
» Die auf den ersten Blick ähnliche, aber in mancher Hinsicht verschobene Bedeutung
von lokal und dezentral interessierte uns. Die Begriffe beleuchten, wenn man sie
auf ein Strukturmodell bezieht, unterschiedliche Aspekte. Lokal betont die einzigartigen
und veränderbaren Eigenschaften, die sich aus der Position eines Struktur-
Bestandteils ergeben. Dezentral hebt die Gleichwertigkeit und Verbundenheit der
Bestandteile hervor.
» Man könnte sagen, dass eine Ausstellung die künstlerischen Arbeiten temporär
lokalisiert. Es eröffnen sich neue Lesarten und ihr universales Potential bildet sich
heraus.
Idee und Begleitung:
Berndt Wilde
Eine Zusammenarbeit zwischen Studenten
der Weißensee Kunsthochschule Berlin
der Freien Universität Berlin
sowie der Humboldt Universität zu Berlin.
HENRIKE EIBELSHÄUSER
REBEKAH FLAKE
LISA HACKMANN
JORIS CORIN HEYDER
FIONA McGOVERN
SILVIA PLONER
MAGNUS SCHÄFER
MAJA WISMER
- [PDF] lokal, dezentral
2007, 55 x 35 x 150 cm,
elektrische Installation,
bewegte Figuren
» In einem an vier Seiten offenen Holzkasten befinden sich in zwei Reihen angeordnete
mechanische Gehäuse, die mithilfe eines Schalters aktiviert werden können.
Begleitet von rasselnden und scheppernden Geräuschen vollführen die symmetrisch
angeordneten Figuren ein skurriles Schauspiel, das an eine Zirkusvorführung in
Miniaturform erinnert. Die Figuren bewegen sich zunächst gleichzeitig, die Synchronität
wird jedoch bald durch Unregelmäßigkeiten in ihrem Bewegungsablauf unterbrochen.
In das laute Scheppern, das durch die Mechanik erzeugt wird, dringen gelegentlich
Musikfetzen. Zwei von der Form her identische schwarze Halbkugeln mit
rundem Aufsatz flankieren die Komposition rechts und links und erinnern an trommelnde
Tanzbären, die ihres Felles beraubt wurden. Sie bilden ein formales Gegengewicht
zu den hoch aufragenden, anthropomorph anmutenden Gestalten, die im
Hintergrund hin und her wackeln.
» Die Figuren wurden ihres Felles, ihrer Attribute, ja überhaupt jeglichen Schmuckes
entledigt und somit auf ihren technischen Aspekt reduziert. Dabei stellt sich unweigerlich
die Frage nach der Funktion des Kastens. Ursprünglich geplant, jedoch aus
Zeitgründen nicht mehr zu realisieren, war ein Schlitz zum Einwerfen von Münzen,
Die den Bewegungsmechanismus auslösen sollten. Ein Überschuss von Münzen
hätte das Schauspiel durch das Blockieren des Mechanismus zum stoppen gebracht.
Damit ist dem Konzept das Problem der Übersättigung und der daraus folgenden
Endlichkeit seines zyklischen Ablaufs eingeschrieben.
» Der Künstler lenkt den Fokus des Betrachters auf weggeworfene, scheinbar nutzlos
gewordene Spielzeuge, die er im Sperrmüll oder auf Flohmärkten fand, und erweckt
diese Überbleibsel der Kindheit in seiner Installation zu neuem Leben. Die Arbeit spielt
auch mit der nostalgischen Erinnerung an antiquiertes Spielzeug, wie es beispielsweise
in dem Film Die Blechtrommel von Volker Schlöndorff zu bestaunen ist.
» Neben dem Aspekt der Komik, hervorgerufen durch die staccatoartigen, kuriosen
Bewegungen, wohnt den Gestalten durch die roboterartige Monotonie ihrer Bewegung
eine gewisse Melancholie inne. Denn die Aktion der Figuren hat kein Ziel; darin wird
die Vergeblichkeit ihres Tuns offenbar.
» In seiner performativen Arbeit setzt Erik Alblas den Betrachter durch das Betätigen
des Druckknopfes in Beziehung zu den animierten Objekten. Das Verhältnis von
Mensch und Maschine ist somit ein integraler Bestandteil seiner Installation.
Henrike Eibelshäuser
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