Sommersemester 2019, BA/MA Visuelle Kommunikation VK_2019

ℳ · Formale Einheit – Die Verbindung von persischer Musik, Architektur und Geometrie, 2019

Von Seyedali Sayah.

 

Wenn man persische Musik, Rhythmik, Musikinstrumente, Ornamente und Architektur betrachtet, fallen schnell ganz bestimmte Ähnlichkeiten auf. Formen und Proportionen wiederholen sich und scheinen gemeinsamen Prinzipien zu folgen. In meiner Arbeit gehe ich der Frage nach, welches diese gemeinsamen Formprinzipien sind, was sie bedeuten und wie sie entstanden sind. Insbesondere der letzte Teil der Fragestellung zeigt die heutige Relevanz des Themas, da es hier um die Entwicklung einer Kultur durch die Auseinandersetzung mit Produkten einer anderen Kultur geht. Für den aktuellen Diskurs um die Fragen nach Kultur und nach ihren Funktionen und auch danach wer wie über Kultur verfügen darf, kann es nützlich sein sich zu vergegenwärtigen, dass Kulturen immer im Austausch gewachsen sind.

Bestandteile einer Kultur interagieren immer miteinander im Laufe der Zeit. Weisheit ist der Leitgedanke der iranischen Kultur. Dieser Leitgedanke wird durch die Person des Universalgelehrten verkörpert. Kulturen entstehen wie gesagt im Austausch miteinander. Die Beziehung zwischen der griechischen und der persischen Kultur während des Mittelalters ist hierfür ein Beispiel. Durch die Übersetzungen der griechischen Texte vor etwa 1200 Jahren wurden viele persische Gelehrte beeinflusst. Ein antiker Autor, der besonders großen Einfluss hatte, war Platon. Platon sagt, unsere Welt ist ein Schatten einer anderen perfekten Welt, die er die Ideenwelt nennt und alle Dinge in unserer Welt sind ein Abbild eines Urbilds in der Ideenwelt.

Auch in den Überlegungen des Gelehrten Avicenna spielen Mathematik und Geometrie eine wichtige Rolle. Er nahm außerdem an, dass die Zahlen eine Art heilige Bedeutung haben. Avicenna schreibt, das erste Element im Kosmos war der Punkt, der dann in der Natur zur Linie konvertiert wurde, von der Linie zur Fläche und am Ende zum Körper.

Eine der von ihm so bezeichneten heiligen Zahlen ist 1.61, was im europäischen Kontext als Goldener Schnitt bekannt ist. Viele Proportionen in der Natur weisen ebenfalls dieses Verhältnis auf. Die persischen Gelehrten haben dieses Prinzip aus den Übersetzungen der griechischen Texte gelernt und man kann es in der persischen Musik, Geometrie und Architektur wiederfinden.

Einige weitere Elemente, an denen sich die Analogie von Musik, Architektur und Geometrie festmachen lässt, sind zum Beispiel Klang, Melodie und Rhythmus. Grundsätzlich können Licht und Helligkeit in der Architektur als Äquivalent zum Klang in der Musik aufgefasst werden. Die Lichtführung mittels Form, Anordnung und Größe der Fensteröffnungen ist das zum Klang äquivalente Gestaltungsmerkmal der persischen Architektur.

Dem Prinzip des kontinuierlichen Melodieflusses in der Musik, der sich im Bereich des Tetrakkord um den Grundton als Zentrum bewegt, entsprechen Ornamente in der Architektur, zum Beispiel Muster aus Fliesen mit sich wiederholenden und auseinander hervorgehenden Elementen.

Die Tonhöhenabstände (Intervalle) in der persischen Musik entsprechen den mathematischen und geometrischen Proportionen in der Architektur, zum Beispiel im Verhältnis der Höhen einzelner Gebäudeteile zueinander. Aber auch der Aufbau dekorativer Elementen, wie zum Beispiel vieler Fliesenmuster, zeigt Übereinstimmungen mit den Intervallstrukturen von Tonskalen der persischen Musik.

In der Architektur entsteht Raum durch die Beziehung zwischen Objekten. So rufen vier Punkte ganz ohne Verbindungslinien – oder in einem Raum vier Säulen oder Pfeiler – den Eindruck eines Quadrats hervor. In der Musik entstehen räumliche Beziehungen durch die Verhältnisse von Melodien zueinander. In beiden Fällen, in der Architektur und in der Musik entsteht durch Vorhandensein oder Abwesenheit von Raum und durch die Abfolge unterschiedlicher Räume Dynamik.

In meiner interaktiven Installation habe ich versucht, die Verbindung zwischen persischer Musik, Architektur und Geometrie zu zeigen. Jeder Ton hat physikalisch gesehen eine bestimmte Frequenz, die man mit einer Zahl ausdrücken kann. Außerdem gab es und gibt es immer wieder Versuche von Künstlern (zum Beispiel Kandinsky) und Esotherikern, Tönen bestimmte Formen oder Farben zuzuordnen. Für meine Installation habe ich eines dieser Modelle aufgegriffen um den Tonfrequenzen Farben zuzuordnen, auch wenn die Zuordnung natürlich nicht physikalisch richtig ist.

Die persische Musik besteht aus zwölf verschiedenen Tonskalen. Die wichtigste Tonskala heißt “Schur” und besteht aus sieben Tönen. Analog dazu habe ich eine Form erstellt, die aus sieben verschiedenen vier-, fünf- und sechseckigen Segmenten besteht, deren Seitenlängen auf den Frequenzen der Töne der “Schur”-Tonskala basieren. Meine Installation besteht aus einem Raum, in dem sich sieben farbige Kreise auf dem Boden befinden, in denen die Noten der “Schur”-Tonskala stehen. Stellt man sich auf einen der Kreise, erscheint an der Wand das zugehörige Segment und man hört den damit verbundenen Ton. Wenn man sich von Kreis zu Kreis bewegt, entsteht Stück für Stück die Form aus den einzelnen Segmenten und man hört eine Melodie, die aus allen Tönen der

“Schur”-Tonskala besteht.

Participants Seyedali Sayah
Project category Project subjects BA/MA Visuelle Kommunikation
Installation
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